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Gute Stimmung: Die Völkerverständigung mit den polnischen Gastgebern klappte hervorragend.
Foto: Peter zur Mühlen
Hiltruper Realschüler als Friedensbotschafter
Frieden gefeiert, wo Krieg ausbrach

Münster-Hiltrup - Realschüler aus Hiltrup radelten von Auschwitz nach Berlin – sie waren 80 Jahre nach dem Überfall auf Polen als Friedensbotschafter unterwegs. Von Peter Sauer

Die polnische Kreisstadt Gliwice (ehemals Gleiwitz) ist im Westen fast unbekannt – trotz ihrer historischen Vergangenheit. Seit Mitte Juni ist das anders: Rund 40 Schüler der Johannes-Gutenberg-Realschule Münster und des Albertus-Magnus-Gymnasiums Beckum besuchten den Ort und den dortigen Radiosender – als Friedensbotschafter. 80 Jahre nach jenem 31. August 1939.
Rückblende: Kurz vor Kriegsbeginn täuschte eine Gruppe von Nationalsozialisten einen Überfall auf den Gliwicer Radiosender durch polnische Soldaten vor, indem sie in deren Uniformen schlüpften. Die Aktion unter dem Tarnnamen „Unternehmen Tannenberg“ diente Adolf Hitler als propagandistischer Vorwand für den Überfall auf Polen, den Beginn des Zweiten Weltkrieges.
Mitte Juni 2019 zeigt sich in Gliwice ein völlig anderes Bild. Wie gute Freunde verbringen die Realschüler aus Hiltrup und die Gymnasiasten aus Beckum gemeinsame Zeit mit ihren polnischen Gastgebern. „Wir haben erfahren, das dass von früher übermittelte Bild der Polen überhaupt nicht stimmt“, sagt Realschülerin Carolin Beining. „Wir erlebten sehr gastfreundliche Polen und konnten uns wunderbar verständigen.“
Gliwice war nur eine von zahlreichen Stationen auf der „Friedenstour 2019“ – eine Idee des Vereins „Bewegung bildet – Münster macht‘s möglich“. „Am meisten bewegt und erschüttert hat uns der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte in Auschwitz / Birkenau und des Holocaust-Mahnmals in Berlin“, berichten die beiden Gutenberg-Realschüler Timm Tschervonenko und Carolin Beining nach ihrer Rückkehr in Hiltrup. „Du weißt jetzt, was passiert ist, erfährst viel über die NS-Ideologie, die die Menschen die ganze Zeit in die Irre geführt hat“, sagt die 16-jährige Carolin. „Jetzt kann man für die Zukunft besser gewappnet sein, damit so etwas nicht noch einmal passiert.“
Die Schüler zwischen 14 und 16 Jahren fuhren mit dem Bus von Hiltrup ins polnischen Oświęcim. Dort liegt das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz. „Das Aufwühlendste war ein langer, dunkler Gang mit einer Vitrine voll mit Kinderschuhen“, sagt Carolin. „Das war sehr grausam.“ Vor der Rampe sprachen die Schüler mit zwei polnischen Überlebenden, die dort gerade eine Dokumentation drehten.
Mit den Fahrrädern ging es von Auschwitz nach Berlin. „Wir haben insgesamt 630 Kilometer und neun Städte in acht Tagen geschafft“, sagt Carolin Beining, also rund 80 Kilometer pro Tag“. Mitschüler Jann Jacob ergänzt: „Das gemeinsame Foto vor dem Brandenburger Tor war etwas ganz Besonderes.“
Weitere Stationen der Friedensfahrt waren Opole, Olawa, Prochowice, Szprotawa, Gubin und Fürstenwalde. In Berlin trafen die Schüler die jüdische Holocaustüberlebende Rahel Mann.
80 Jahre nach dem Überfall auf unser Nachbarland Polen sorgte diese Friedensfahrt der Schüler für eine wichtige Botschaft – als Zeichen gelebter Freundschaft zwischen geografischen Nachbarn, die sich früher noch fremd waren und eigentlich mehr Gemeinsamkeit besitzen, als man denkt. Das ist gelebte Völkerverständigung und Werbung für eine friedliche gemeinsame EU-Zukunft.
Westfälische Nachrichten, 23.07.2019


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Jugendliche der Johannes-Gutenberg-Realschule in Münster-Hiltrup radeln im Juni als Friedensbotschafter von Auschwitz nach Berlin. Foto: Karin Weglage

2019: Katholischer Religionslehrer plant Tour durch Polen mit Jugendlichen

Realschüler aus Münster radeln von Auschwitz nach Berlin


Anspruchsvoll, sportlich, kompakt: 650 Kilometer in neun Tagen mit dem Fahrrad, dazu wenige weitere Tage für die An- und Abreise, Besichtigungen, Führungen, Gespräche, Austausch. 42 Teilnehmer – Schülerinnen und Schüler der Johannes-Gutenberg-Realschule in Münster-Hiltrup, Lehrer und Betreuer – machen sich im Juni auf eine Friedenstour von der Stadt Oświęcim in die deutsche Hauptstadt Berlin. Im polnischen Oświęcim liegt das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz.
Die Jugendlichen sind zwischen 14 und 16 Jahren alt. Carolin, eine von ihnen, beschreibt, wie sie die Tour persönlich sieht: „Wir wollen den Frieden in die Welt bringen. Wir möchten die Orte sehen, wo kein Friede war, und aufmerksam auf die Menschen zugehen. Und wir möchten lernen, mit Menschen, die anders sind, umzugehen.“

Friedenstour mit Küchenbegleitung
Das Ganze hat sich Tobias Hoppmann ausgedacht: 41 Jahre jung, Lehrer für katholische Religion, Sport und Deutsch an der Johannes-Gutenberg-Schule und Berater für Schulsport bei der Bezirksregierung Münster. Er macht das nicht zum ersten Mal. 2012 war er mit Schülern auf Friedenstour in London, 2015 radelte er mit ihnen von Münster nach Paris und Orleans.
Frühere Tour-Teilnehmer haben den Verein „Bewegung bildet – Münster macht‘s möglich“ gegründet. Der sorgt auch diesmal für die Logistik: Begleitfahrzeuge, einen küchenfähigen Sprinter, der vom Frühstück bis Abendessen alles anbieten kann, Spenden-Akquise, ärztliche Betreuung. Eine Lehrerin und eine polnischsprachige Schülerin des Albertus-Magnus-Gymnasiums Beckum ergänzen das Team. 

Stationen sind Auschwitz, Birkenau und Gleiwitz 
Die Gruppe wird die Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau kennenlernen und den Radiosender in Gliwice (Gleiwitz) besuchen. Der Ort gehörte vor dem Zweiten Weltkrieg zu Schlesien. 1939, kurz vor Kriegsbeginn, täuschten Nationalsozialisten einen Überfall auf den Sender durch polnische Soldaten vor, indem sie in deren Uniformen schlüpften. 
Weitere Stationen der Friedensfahrt sind Opole, Olawa, Prochowice, Szprotawa, Gubin und Fürstenwalde. In Berlin besuchen die Schüler das Holocaust-Denkmal und treffen die jüdische Zeitzeugin Rahel Mann.

Stadt Münster und polnische Gemeinde helfen beim Planen 
In kleinen Schülergruppen recherchieren die Jugendlichen aus den Klassen 9, 10 und 11 gerade wichtige Informationen zu den einzelnen Orten. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) hat als Schirmherr der Tour an alle Bürgermeister auf der Strecke einen Brief verfasst. Malgorzata Wojcik, Referentin bei der Katholischen Polnischen Mission in Münster, nimmt zurzeit mit Bistümern, Schulen, Pfarreien und Stadtverwaltungen Kontakt auf, um Treffen mit polnischen Jugendlichen und Unterkünfte in Sporthallen und Kirchengemeinden zu organisieren. 
111 Euro zahlen die Schüler pro Kopf für die Fahrt. Vieles ist noch in der Planung. „Am Ende wird es klappen“, ist Hoppmann sicher. „Und die Schüler werden zu Multiplikatoren.“ 

Selbst erleben, um zu verstehen
„In 80 Jahren werden sie alles vergessen haben“, zitiert er einen Satz des jüdischen Mädchens Anne Frank. Er wolle mit der Fahrt dem Vergessen entgegenwirken. Seine Schüler würden die Zeit des Nationalsozialismus' nur aus Lehrbüchern kennen. „Doch lesen ist das eine“, sagt Schülerin Zoe. „Ich muss es selbst erleben, um es zu verstehen.“
Zwischen 62 und 94 Kilometern werden die Radfahrer täglich absolvieren. „Gefahren wird teils in Zweier-Reihen. Die Strecke hat eine Steigerung von nicht mehr als vier Prozent“, sagt Hoppmann. Die Räder würden aus Österreich nach Oświęcim geliefert, die Schüler kommen mit dem Bus dorthin.
Schulische Sporthelferinnen und Sporthelfer wie Tim und Chiara bereiten Spiele vor, um den Teamgeist zu stärken und die Motivation aufrechtzuerhalten. „Auf so einer Radtour müssen sich die Jugendlichen gegenseitig stützen und zu einer Gemeinschaft werden“, sagt Hoppmann. „Das ist gelebtes Christentum.“
Karin Weglage
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Pressebericht Westfälische Nachrichten, 20.05.2015
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Pressebericht Münsterschen Zeitung, 07.06.2015
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Pressebericht Westfälische Nachrichten, 08.06.2015
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"Nachtrag" vom Start. MZ, 08. Juni 2015
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Pressebericht La République du centre, 23.06.2015
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Pressebericht WN, 04.07.2015
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Pressebericht MZ, 04.07.2015